Vorwort
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Wenn man 20 Jahre mehr oder weniger regelmäßig nach China reist, mit Chinesen arbeitet, lebt und feiert, erlebt man dieses
große Land aus einem anderen Blickwinkel, als er sich dem gemeinen Touristen auftut. Wenn dies noch in einer nordchinesischen
Provinzkleinstadt von 6 Millionen Einwohnern stattfindet, erlebt man Dinge, wie sie in den weltoffenen Zentren wie Peking oder
Shanghai kaum vorstellbar sind. Dabei sind es nicht die großen Abenteuer, sondern die vielen kleinen Alltäglichkeiten, die uns
Europäer am und im chinesischen Leben immer wieder verblüffen, erheitern oder nachdenklich stimmen.
Die hier gezeigten Briefe sind die gesammelten Notizen von den Eindrücken aus einem Land, das uns trotz Fernsehen und
Internet, trotz Flugzeug und Weltraumfahrt, doch so fremd geblieben ist in seiner Kultur und seiner Lebensweise. Sie sind entstanden in den Jahren 2000 bis 2005.
Ich habe die Erlebnisse sicherlich in vielen Fällen überspitzt oder karikiert, häufig hat mich aber die Realität überholt.
Trotzdem möchte ich betonen, dass ich dieses Land und seine Bewohner schätzen gelernt habe. Die ständige Auseinandersetzung mit einer
völlig andern Kultur hat auch eine ganz neue Sicht der eigenen Kultur und Lebensweise bewirkt. Sollte ich auf diesen Seiten
irgend jemandem zu nahe getreten sein, so möge er mir bitte verzeihen. Es ist keine Absicht und auf die Unwissenheit eines
dummen Europäers zurückzuführen.
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Brief 1 Ankunft
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Am Sonntag bin ich gut in C. angekommen, kämpfe aber noch immer mit dem Jetlag. Inzwischen bin ich hier komplett
ausgerüstet. Ich habe den Führerschein gemacht und einen Audi A4 als Dienstwagen
bekommen, das macht mobil. Als Immobilie bewohne ich ein 2 Zimmer Appartment im Hotel mit Küche und Bad. Im "Wohnzimmer"
steht ein DVD-Player und die ersten CD´s und DVD´s habe ich auch schon eingekauft. Die
Zimmermädchen sind wie immer rührend um mich besorgt (sie kennen mich auch schon lange) und legen jeden Tag meine
Wäsche zusammen. Ich muß schon wieder aufpassen, dass sie nicht auch jeden Tag gewaschen wird.
Im Hotel habe ich gestern einen Chinesen getroffen, der mir sehr bekannt vorkam. Es stellte sich heraus, dass er bei
mir und einem ehemaligen Kollegen an der Uni einer unserer Studenten am Institut war. Heute arbeitet er für ein
Automobilunternehmen. Die Welt ist klein und trifft sich in China.
Das Stadion gegenüber dem Hotel ist leider nicht mehr zugänglich, es soll wohl abgerissen werden, da es schon 6 Jahre
alt ist. Jetzt muss ich wohl oder übel auf dem Laufband joggen.
Am letzten Wochenende war ich mit einem Kollegen in J., dass liegt etwa 100km westlich von C. und ist gut
über die Autobahn zu erreichen. Dort haben wir ein paar Steinlöwen, -lampen und dergleichen mehr bestellt. Kollege
S. hatte noch ein wenig Platz frei in seinem Container für die Rückreise frei.
Am nächsten Wochenende will ich mir mal die Umgebung von C. ansehen. Reisfelder gibt es hier nur wenig, dafür
um so mehr Mais. Es war allerdings nicht ganz einfach, Strassenkarten zu bekommen, und es war mehr Zufall, dass ich sie
im Erdgeschoß eines neuen Kaufhauses entdeckt habe. Die Genauigkeit und der Maßstab lassen allerdings zu wünschen
übrig
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Brief 2 Das Koreanische Abendessen
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Heute Abend wollten uns ein paar chinesische Kollegen zu einem Abendessen
einladen. Es gäbe ein neues, sehr gutes koreanisches Restaurant. Also sind
wir dort hingefahren, zwei Deutsche und zwei Chinesen, gefahren bin ich. Das
Restaurant liegt in der Luanli Lu hieß es, und die sei gleich dort links.
Ich bin also links abgebogen, abends, im Dunkeln, nach 19:30. Sind wir hier
richtig ? Vielleicht, oder doch nicht... dort rechts... nein das war es nicht
, wir müssen umdrehen... oder doch lieber rechts ??
Das Viertel hätte Vorlage für einen Horrorfilm abgegeben. Enge Gassen ohne
Beleuchtung, tiefe Löcher in der Straße, jede Menge Menschen, dunkel
gekleidet und kaum zu sehen. Die Autos haben entweder gar keine Beleuchtung
oder das Fernlicht an. Dazwischen Motorrad- und Radfahrer, natürlich ohne
Beleuchtung. Und immer wieder wild gewordene Taxifahrer, die hupend und
schneidend ohne Rücksicht auf Verluste durch die Gassen rasen. Jetzt
rechts.. Vorsicht, da kommt ein Laster.., links , neeein, das ist
Einbahnstraße !! Macht nichts da müssen wir durch. Endlich, eine große
Straße, die Guilin Lu. Jetzt sind wir richtig, nur noch geradeaus. Wieder
ins Dunkel. Dann endlich Reklamebeleuchtung. Dort ist es. Was? dort?? Das
ist ja gleich neben der großen Disco. Da hätten wir auch einfacher hinkommen
können.
Also rein in das Restaurant. Wie bei koreanischen Restaurants üblich wird am
Tisch gegrillt. Dazu gibt es ein großes Loch in der Tischmitte, dort wird in
einen Einsatz ein Topf mit glühender Holzkohle gestellt, darauf eine
gusseiserne Grillplatte. In den Tisch ist ein Ventilator eingebaut, der
schnell die richtige Tempertur herbringt.
Es gibt drei Sorten Fleisch, das in zwei Finger breite Stücke geschnitten
wird. Nach dem Grillen wälzt man das Fleisch in allerlei Marinaden, dann
wird es zusammen mit Zutaten wie höllisch scharfem Chinakohl, Pilzen,
Sojasprossen, Dofu, Soßen und anderen Sachen in Salatblätter gewickelt und
mit der Hand gegessen. Sehr lecker. Und sehr ungesund, denn der Salat ist
nicht gekocht aber undefinierbar gewaschen. Und wo ist der Feuerlöscher ??
Dazu gibt es erst einmal Tee. Der schmeckt, als wenn er angebrannt ist. An
den Geschmack gewöhnt man sich aber schnell. Danach gibt es Bier, reichlich.
Ich hoffe, ich muss nicht wieder durch die Gassen zurück. Aber mit
ausreichend Bier stört das vielleicht nicht mehr so ??!!
Wie kauft man einen Anzug ?
Versuch 1 im Mai: zwei Deutsche im Stoffmarkt. Zum Schneider gehen,
anmessen, mit Schneider zum Stoffhändler, Stoff kaufen (500 RMB), dann
Schneider bezahlen (220 RMB). Anzug wird nach drei Tagen ins Hotel gebracht,
paßt wunderbar und ist weitgehend unempfindlich gegen Umwelteinflüsse.
Gesamtpreis 720 RMB.
Versuch 2 im Juli: ein deutscher mit chinesichem Kollegen. Nicht zum
Schneider gehen, gleich Stoff aussuchen (400 RMB). Stoffhändler misst aus.
Auf Intervention des Chinesen ist Nähen im Preis enthalten. Gesamtpreis 400
RMB (40 Euro) aus australischer Wolle. Geliefert wird nächste Woche. Passung
? Man wird sehen.
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Brief 3 Autoverkehr
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Es gibt aus C. so viel ungewöhnliches zu berichten, dass ich nie weiss, womit ich
anfangen soll. Aber da es offenbar viele Leute gibt, die den Verkehr in C.
ungewöhnlich finden, hier der Bericht zur Verkehrslage.
1. Autoverkehr in China ist anders als im Rest der Welt.
2. Autoverkehr in C. ist anders als in Shanghai und Peking
3. Der Verkehr auf Landstraßen und Autobahnen ist wieder anders.
Fangen wir mit den wichtigsten Regeln an.
1. Wer geradeaus fährt hat Vorfahrt.
2. Wer links abbiegt hat Vorfahrt vor den Geradeausfahrern.
3. Wer rechts abbiegt hat Vorfahrt, auch wenn er dabei Radfahrer und Fußgänger schneidet.
4. Wer größer ist, hat Vorfahrt.
5. Wer das größere Selbstvertrauen hat, hat Vorfahrt.
6. Wer stehen bleibt, hat verloren oder einen Unfall.
Die Regeln gelten in umgekehrter Reihenfolge. Nichteinhaltung der Regeln
werden durch die Unfallstatistik belegt.
Abends wird nur bei PKW und LKW mit Licht gefahren. Aber nur wenn es
unbedingt notwendig und dem Fahrer genehm ist. Fahrräder dürfen grundsätzlich nur ohne Licht
gefahren werden.
Es gibt Geschwindigkeitsbeschränkungen, aber die kennt keiner. Durchgezogene
oder doppelt durchgezogene Linien auf der Straße haben sehr dekorativen
Charakter, mehr auch nicht. Die wichtigste Regel in der Fahrschule ist.
Benzin sparen: Spätestens bei 30km/h muss der 5. Gang erreicht sein. Dies
gilt allerdings nicht für Taxifahrer. Lkw verschönern die rapide
Beschleunigung noch durch dichte schwarze Rußwolken, dass man meint, er
brenne ab.
A. Eine gerade Straße
Straßen sind in C. entweder sehr breit (6-10 Spuren) oder sehr schmal
(1,5 Spuren). Alle Strassen leiden unter dem harten Winter, im Frühjahr sind
Löcher mit einem Meter Tiefe keine Seltenheit. Wehe dem, der zu
schnell in so ein Hindernis fährt. Hinzu kommt, dass Gullideckel ein
beliebtes Objekt für Diebe sind. Schlagen die Autos vor einem plötzlich
scheinbar ohne Grund Haken, hat man wieder so eine Stelle entdeckt und kann
nur hoffen, entweder sehr schnell zu fahren oder gute Reflexe zu haben (und
keinen Nebenmann). Überholt wird links und rechts oder auf der Gegenfahrbahn, Spuren sind nur zur
Einteilung der Straße, haben aber sonst keine Bedeutung.
Vorwiegend fährt man in der Mitte der Richtungsfahrbahn. Der Grund: von
links und rechts biegen die anderen Fahrzeuge ohne zu schauen einfach ein
(siehe Vorfahrtsregeln). Rechts sind zudem immer Radfahrer unterwegs.
Außerdem ist eine Richtungsfahrbahn noch lange nicht auf eine Richtung
beschränkt. Geisterfahrer sind keine Seltenheit und Fußgänger, Radfahrer, Eselkarren haben keine
Regeln.
Überholt wird wie gesagt rechts oder links, alles was man aus dem Augenwinkeln nicht
mehr sieht, ist uninteressant. Folglich wird fleißig gedrängelt und
geschnitten, da kann man so richtig die Sau rauslassen.
B. Eine Ampelkreuzung
Zuerst die gute Nachricht: seit ein paar Jahren halten sich auch in
C. etwa 90% aller Pkw an die Ampeln. Der Rest sind überwiegend
Taxifahrer. Leider gibt es ein paar Verkehrsteilnehmer mehr als nur Pkw. Es
ist ein nettes Gefühl, wenn man meint bei grün freie Fahrt zu haben, und dann
kommt von der Seite plötzlich ungebremst ein 38tonner. Schlimmer ist, wenn
Zweiradfahrer das gleich tun, die übersieht man noch leichter.
Kavalier-Start an der Ampel ist nicht angesagt. Ampelfarben haben also mehr
dekorativen Charakter. Allerdings haben die chinesischen Ampeln eine
Eigenart, die auch in Europa nicht schlecht wäre - sie zeigen mit einer
Leuchtschrift an, wie lang die jeweilige Ampelphase noch gültig ist. Selbst das hält einen
chinesischen Autofahrer, Dreiradfahrer, Radfahrer nicht davon ab (oder ermuntert ihn geradezu) bei noch tiefrot
schon mal die Kreuzung zu überqueren. Wer will denn noch 30 Sekunden warten ?
Speziell an großen Kreuzungen sind die Ampeln sehr schlecht zu erkennen,
sind sie doch häufig erst 30-40 m hinter der Kreuzung angebracht.
C. Ein Verkehrsstau
Was chinesische Fahrer nicht können ist warten (siehe Ampeln). Staut sich
irgendwo der Verkehr, geht sofort ein Hupkonzert los. Dann wird wild
gedrängelt. Sollte sich dann nichts mehr bewegen, macht man eine neue Spur
auf, egal auf welcher Straßenseite. So wird aus einer vierspurigen Straße
problemlos eine achtspurige. Löst sich dann der mittlere Knoten auf, stehen
sich die Kontrahenten ungeschützt gegenüber. Nun kommt wieder das übliche
Drängeln, Schneiden und Hupen und siehe da, der gordische Knoten ist
entwirrt. Das ganze geht im Normalfall ohne Blechschaden ab.
D. Ein Unfall
Unfälle und Abbieger sind die häufigste Ursache für die Verkehrsstaus. Bei
einem Unfall ist es wichtig, unbedingt stehen zu bleiben und zu schauen, ob
es etwas zu sehen gibt, dadurch ist die Chance auf einen Verkehrsstau auch
deutlich höher und es macht den Unfall wichtiger. Die Polizei greift nur
ein, wenn Menschen zu schaden kommen. Nicht so witzig ist ein Unfall, wenn
ein Europäer beteiligt ist. er ist grundsätzlich erst einmal Schuld, denn er
ist ja reich. Die Polizei schließt das Verfahren erst ab, wenn alle
Forderungen erfüllt sind. Das kann sich hinziehen. Da hilft nur die
chinesische Methode: Bezahlung nur auf Nachweis von Quittungen, vor allem
aber nicht im Voraus. Dann erledigt sich vieles von selbst.
E. Eine Landstraße
Landstraßen haben einen besonderen Charme. Sie sind inzwischen gut ausgebaut
und lassen hohe Geschwindigkeiten zu. Fahrzeuge mit 160 km/h sind nicht
selten. Allerdings ist die Verkehrserziehung auf dem Land etwas hinter der
Verkehrsentwicklung zurückgeblieben. Die Landbevölkerung hat kein Gefühl für
Geschwindigkeit und ihre Folgen und kennt auch keine Regeln. Ein Radfahrer
wird also die Straße immer ohne zu schauen überqueren. Dieses Phänomen habe
ich das erste Mal bei Testfahrern erlebt, die plötzlich auf freier
Landstrasse eine Vollbremsung hinlegten, dass der Gurt knirschte. Die
kannten ihre Radfahrer. Ähnlich verhält es sich mit Eselkarren, die die
Fahrbahn in jeder beliebigen Richtung benutzen, und deren Nachfolgern, den
dreirädrigen, einzylindrigen Dieseln, die schon aus 500m Entfernung zu hören
sind. Beliebt sind auch Straßenbauarbeiten auf Landstrassen. Sie werden
üblicherweise nicht ausgeschildert und führen im Normalfall dazu, dass der
Asphalt unvermittelt in eine löchrige Schotterpiste übergeht. Wohl dem, der
gute Augen und eine gute Bremse hat.
Nachtrag: Ein Kollege hat unter diesen Bedingungen 1100 km
zurückgelegt. In einem Tag über 16 Stunden. Angeblich hat er viel gesehen.
Wer´s mag.
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Brief 4 Freizeit
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Was machen eigentlich die Chinesen in der Freizeit ?
Fernsehen ? Im Winter vielleicht, aber das ist langweilig und ungesellig.
Zuerst einmal telefonieren. So laut, dass das Telefon eigentlich überflüssig
wird. Dazu vielleicht einmal später mehr.
Danach kommt Essen. Das soll in einem nächsten Lagebericht vorbehalten sein.
Aber was kommt dann ?? Und wofür gibt es in jeder Stadt so viele Plätze
(C. hat nach Pekings Tien An Men den zweitgrößten Platz der Welt).
Diese beiden Fragen gehören direkt zusammen, denn die Lieblingsbeschäftigung
ist, sich auf eben diesen Plätzen zu treffen, vor allem am Abend.
Und was macht man dort? Eigentlich das gleich, was man auf der ganzen Welt
auf Plätzen macht, und doch anders.
Große und kleine Plätze sind in Deutschland spätestens am Abend mehr oder
weniger unbelebt. In China sind es vor allem im Sommer die Orte, an denen
man sich trifft zum Flanieren. Selten kommt jemand alleine und wenn doch
findet er schnell jemanden, mit dem es sich lohnt ein Schwätzchen zu halten
oder gemeinsam etwas zu tun. Und davon gibt es eine ganze Menge.
An schattigen Plätzchen und an Sitzgruppen treffen sich die Spieler.
Kartenspiele, Schach (das chinesische) und Mah Jong sind die beliebtesten
Spiele. Hin und wieder sieht man auch zwei Partner beim Go. Es geht im
Normalfall um nichts aber es wird trotzdem mit viel Emotionen gespielt. Die
Karten werden laut klatschend auf den Tisch geworfen, das klappern der Mah
Jong Steine kann man schon von weit her hören. Begleitet wird das ganze von
den vielen lautstarken Diskussionen der Teilnehmer und der vielen
Zuschauer.
Wenn man irgendwo eine große Menschentraube sieht, sind normalerweise
Musiker am Werk. Klassische chinesische Musik wird gespielt und gesungen,
und die vielen begeisterten Zuschauer zeigen, dass es hierfür noch immer
eine große Anhängerschaft gibt. Singen können die Chinesen wirklich sehr
gut. Es passiert nicht selten, das ein Sänger eine Strophe vorsingt, ein
Zuschauer vortritt und die zweite Strophe übernimmt. Gesungen wird laut und
mit Inbrunst. Ein andächtig lauschender Lao Wei (= Ausländer,
Europäer) ist eh er sich versieht zum Ehrengast erkoren und darf die
Vorstellung in der ersten Sitzreihe am Boden mitgenießen. Wenn es ihm
gefällt sind auch die Chinesen zufrieden.
An vielen Stellen gibt es Möglichkeiten zur körperlichen Ertüchtigung.
Turngeräte vor allem, inzwischen aber auch Rollschuh oder Skaterbahnen.
Speziell beim Skaten sieht man wieder die alten Strukturen: Ein Lehrer, der
Meisterlich seine Sportart beherrscht und schon durch seine Ausrüstung
zeigt, wer er ist, und eine Schaar von Jüngern, die seinen Ausführungen
andächtig lauschen und jede seiner Bewefgungen gespannt verfolgen und
nachzumachen versuchen.
Und dann ist da noch das Tanzen. Getanzt wird abends, immer und überall. Mal
sind es Männer und Frauen, die einen Gemeinschaftstanz probieren, mal sind
es nur Frauen, die Chigong oder Schwerttanz üben. Die Musik dazu kommt nur
selten aus der Konserve. Meist finden sich ein paar Musikanten (selten
Frauen), die die notwendige musikalische Untermalung bereitstellen. In der Nähe von Wohnsiedlungen
kommen nicht selten mehr als 200 Leute zum Tanz zusammen. Dafür zieht man
passende Kleidung an, glänzende Seidenanzüge oder Trachten.
Das erstaunlichste für uns Europäer auf solchen Plätzen aber ist, der
Gemeinschaftssinn der hier auf solchen Plätzen herrscht. Jeder ist in jeder
Gruppe herzlich willkommen, wird neugierig beäugt und ist als Schüler oder
Lehrer gerne gesehen. Auch Ausländer werden lachend und kichernd in
die Reihen mit aufgenommen und schnell wird der Versuch gemacht, das Spiel
oder den Tanz zu erklären oder mehr über den seltenen Gast zu erfahren. Wenn
die Sprachkenntnisse nicht ausreichen, kommt die Zeichensprache zur Hilfe.
Als Ausländer muss man dabei aufpassen, dass nicht der Vortragende plötzlich
alleine dasteht und keine Zuhörer mehr hat.
Allerdings sieht man speziell beim Tanzen und Singen überwiegend ältere
Leute. Es steht zu befürchten, dass diese schöne Sitte bald dem Fortschritt
von Fernsehen, Karaokee und ähnlichem zum Opfer fällt.
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Brief 5 Essen
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Ein Essen in C., was ist das ? Die Chinesen in C. behaupten,
dass man in dieser Stadt ein Jahr lang jeden Abend im Restaurant essen kann,
ohne dass sich das Essen wiederholt. Ich würde nicht dagegen wetten. Ich
habe noch keine Stadt gesehen mit einer solchen Dichte an Restaurants. Als
Ingenieur gehe ich die Sachen alle systematisch an, daher hier der Versuch
einer Einstufung. Die Essenspreise beziehen sich auf eine satte Mahlzeit für
eine Person incl. einem Bier (0,65l)(Stand 2005).
Zuerst nach Qualitativer Einstufung:
-Straßenrestaurants
sind üblicherweise draussen (auch im Winter bei -20°) und bestehen aus ein
paar kleinen Tischen mit Hockern und einem Holzkohlegrill. Gegrillt wird
Fleisch, Huhn (vornehmlich der Kopf) und Innereien. Das Ganze ist
appetitlich aufgespießt auf Fahrradspeichen (da billig, unverwüstlich und
leicht zu reinigen). Gegessen wird aus der Hand. Preis: ca. 1 Euro.
- Bürgerliche Restaurants
meistens kleine Restaurants im Erdgeschoss von Mietshäusern. Es gibt typisch
nordchinesische Küche von dem, was gerade im Garten oder auf dem Großmarkt
billig verfügbar ist. Meist familiär geführt und sehr lecker, aber immer
etwas schmuddelig. Man sollte die Gläser vorreinigen und nicht aufs Klo
gehen. Der Blick in die Küche ist entgegen anderslautender Meldungen
durchaus erlaubt, nicht immer jedoch der Blick auf die schimmelnden Wände im
Lokal. Gegessen wird mit Einmalstäbchen aus Holz. Preis: ca. 1-2 Euro.
- Business-Restaurant
Vielbesuchte mittlere und große Restaurants, die viel Zulauf haben, aber
noch immer eine preiswerte Küche bieten. Inzwischen sind diese Restaurants
recht sauber (zumindest vor dem Essen), schnell und effektiv. Hier kann man
üblicherweise nahezu die gesamte nordchinesische Speisekarte bekommen. Die
Einrichtung ist jedoch einfach und praktisch, ohne großen Firlefanz.
Gegessen wird mit Einmalstäbchen aus Holz. Preis 2-3 Euro.
- Gehobenes Business Restaurant
wie oben, jedoch mit einer wesentlich besseren Ausstattung. Hier werden
schon gute Gläser auf den Tisch gestellt, das Personal legt dem Gast die
Serviette auf den Schoß und kümmert sich intensiv um das wohl der Gäste. Auf
drei Gäste kommt eine Bedienung. Jeder Raum hat eine Klimaanlage, die
ordentlich Lärm produziert. Diese Restaurants können sehr groß sein, 400 m²
Grundfläche ist normal und nicht selten haben sie 4 oder mehr Etagen.
Gegessen wird mit Stäbchen aus Holz oder Kunststoff. Preis 3-10 Euro.
- Luxus-Restaurants
Die guten Hotels, aber auch einige private Unternehmer unterhalten
Luxusrestaurants. Alleine die Ausstattung lässt jeden Europäer vor Neid
erblassen. Gediegene Möbel, meist glatt und schlicht gehalten und fast
japanisch anmutend, exklusive Dekoration, häufig viel Gold. Dazu
Porzellanteller mit verzierten Goldrändern, Kristall-Gläser, ebenfalls mit
Goldrand passend zu den Tellern. Dazu werden schwarze oder weiße Stäbchen
mit goldenen Köpfen auf Porzellanhaltern gestellt. Die Servietten sind aus
Stoff und vor und nach dem Essen gibt es heiße Waschlappen zum Reinigen. In
diesen Restaurants bekommt man auch Französische Weine und Spirituosen aus
aller Welt. Da kann eine Flasche Wein schon mal 3000 Euro kosten. Preis pro
Essen: 20-500 Euro, mehr ist jederzeit möglich.
Als zweites nach der Art des Essens:
- heimische Küche. Ähnelt sehr dem, was wir in Deutschland unter
chinesischer Küche kennen, nur viel leckerer.
- Landrestaurant. wie oben, jedoch deftigere Küche.
- Sechuan. wie oben, jedoch südchinesische und sehr scharfe Küche
- Jiau Zhi Restaurant. Spezialitätenrestaurant, das Nudeltaschen in allen
möglichen Varianten anbietet. Sie werden gefüllt, gefaltet und gekocht von
vielen fleißigen Händen und gekocht oder gebraten serviert. Die Füllung
besteht aus allem was der Garten und der Zoo hergibt. Manchmal kann man
sogar an der Faltung sehen, was innen enthalten ist. Dann wird das Essen zur
Zeremonie. Der Gast taucht die Nudeln dann in eine Soße aus Soja, Senf,
Knoblauch und einem Spritzer Essig. Eine Delikatesse.
- Peking Ente. Das Fleisch und die Haut einer Ente wird mit scharfem Messer
scheibenweise abgeschnitten bis nur noch Knochen übrigbleibt. Der Rest der
Ente kommt in die Suppe. Das Fleisch wird auf einem Teller serviert. Dazu
gibt es eine Art dünnen Pfannkuchen, Handtellergroß, Lauch, Knoblauch und
eine schwarze Soße. Man lege sich einen Pfannkuchen auf die linke Hand,
fülle Fleisch, Lauch und Soße darüber und rolle das ganze ein. Das untere
Ende der Rolle wird umgeknickt. Spitzname: Entendöner.
- Fischrestaurant. Alle Sorten Fisch und Meerestiere. Je nach Fischart kann
hier ein Essen schon mal 300 Euro kosten.
- Hot Pot. Ein großer Topf wird auf einer Gasflamme am Tisch erhitzt. Im
Topf sind normalerweise zwei Abteilungen, eine scharfe und eine normale oder
eine Fischabteilung. In diesen Topf wirft man nun alle Zutaten und fischt
sie mit Löffeln wieder heraus. Gegessen wird dabei alles was es in der Küche
sonst auch gibt. Sehr lecker.
- Nudelrestaurant
- Koreanisch. Im Tisch ist ein Grill eingelassen auf dem die Kellnerin gut
gewürztes Fleisch grillt. Dazu gibt es viel Gemüse, eingelegten Knoblauch
und Soßen. In einigen diese Restaurants wird auch Hund serviert.
- Brasilianisches Restaurant. Buffet mit allem was das Herz begehrt. Dazu
kommt alle zwei Minuten ein Kellner mit einem Fleischspieß an den Tisch und
schneidet so viel ab, wie man mag. er hört erst dann auf, wenn man eine rote
Karte auf den Tisch legt. Für 3 Euro Essen bis zum Umfallen.
- Pizza Wie zu Hause.
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Brief 6 Friseur
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Wohin geht man in China zum Friseur?
1.Auf der Brücke über die Eisenbahn an der Straße auf dem Gehsteig
Ist für die Chinesen immer ein riesiges Ereignis, einen Laowei beim
öffentlichen Haareschneiden zu sehen. Aber da ich auf das Ergebnis angewiesen bin,
verzichte ich auf das Abenteuer.
2. Beim Friseur um die Ecke
Nicht schlecht und billig, aber das Ergebnis ist auch nicht immer so, wie
man es erwartet. Meist hat der Haarschneider so viel Angst, etwas verkehrt
zu machen, dass er kaum etwas abschneidet. Verständigung ist schlecht.
3. Friseur im Hotel
Bleibt also nur diese Möglichkeit, die Verständigungsmöglichkeit ist aber
auch nicht viel besser.
Wenn man in den Frisiersalon reinkommt ist die erste Überraschung die Menge
des Personals. Auf jeden Kunden kommen mindestens 3 Angestellte.
Frage Nr. 1: "Cut ?"
Ja, natürlich, Haare schneiden.
Frage Nr. 2: "Massasch ?"
Was, Massage, ist das hier etwas unanständiges ? Aber warum nicht mal
ausprobieren. Also "dui" (ja).
Daraufhin wird mir eine rothaarige Chinesin zugeteilt, die mir bis kurz über
den Gürtel reicht. Der Sessel, den sie mir anbietet, ist allerdings so
niedrig, dass der Größenunterschied locker ausgeglichen wird.
Nun folgt das Haarewaschen. Waschen ? Es gibt doch gar kein Wasser. Was
folgt ist weniger ein Waschen als ein systematisches Einschäumen mit einer
Flüssigkeit aus einer großen Plastikflasche. Bei dem vielen Schaum vermute
ich Spüli oder ähnliches dahinter. Dieser Schaum wird in einer Prozedur von
etwa 15 Minuten in die Haare einmassiert. Ein bisschen Öl muss auch drin
sein, denn die Kopfhaut ist hinterher sehr geschmeidig. Aber wie bekommt man
den Schaum jetzt aus dem Haar wieder raus?
Beim Frisör um die Ecke gab es dazu ein Fass, über das man sich beugen musste,
und die freundliche Frisöse schüttete Wasser aus dem Kanister darüber.
Wasser gab es nur im Hof. Im Hotel ist es doch deutlich komfortabler. In einer
Ecke gibt es zwei sehr bequeme Liegen, an die am Kopfende ein Waschbecken,
sogar mit fließendem Wasser angeschlossen ist. Sollte man in Deutschland
auch einführen, ist sehr bequem.
Nun wird man wieder in den kleinen Sessel dirigiert. Die rothaarige Chinesin
drückt meinen Kopf an ihre Brust und beginnt mit der Kopfmassage. So kann
man es aushalten. Ich mache die Augen zu und genieße. Zumindest so lange
bis sie anfängt, meinen Nacken zu massieren. Die Kleine hat verdammt viel
Kraft und ich morgen bestimmt einen blauen Nacken. Dann sind die Arme und
die Hände dran. Sehr angenehm und entspannend. Nach einer halben Stunde ist
die Wohltat zu Ende. Dann heißt es Haare schneiden.
Das macht bei einem Laowei nur der Chef persönlich. Zwangsläufig. Die
anderen trauen sich nicht. Aber der Chef hat Routine, fragt mit den Fingern,
wie viel er abschneiden soll und beginnt mit dem Schneiden. Zwischendurch
wird immer wieder die Brille gereicht, damit ich das Werk begutachten kann
(und er sicher ist, nichts falsch zu machen). Dann sind noch Ohren,
Augenbrauen und Bart dran. Alles im Service inbegriffen. Meine Haare in der
Nase hat er nicht gesehen, sonst wären die auch weg.
Nun kommt der spannende Moment mit dem Spiegel. Oh Wunder, das Werk ist
gelungen. Die Haare sind kurz, aber nicht zu kurz und sitzen perfekt. Nur
über den Ohren hätte es etwas länger bleiben dürfen. Aber das wächst ja
nach.
Und der Preis des einstündigen Vergnügens ? 40 RMB oder 4 Euro. Um die Ecke
wäre es etwas teurer gewesen, aber dafür gibt es Ganzkörpermassage
(angezogen wohlgemerkt) und das Ganze dauert bis zu zweieinhalb Stunden.
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Brief 7 Wieder Essen
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Nachdem wir gestern wieder ein größeres Gelage hatten, bietet es sich an,
den Teil zwei zum Thema Essen zu erstellen, soweit der dicke Kopf das heute
morgen zulässt.
Was ist denn das besondere am chinesischen Essen, dass es sich lohnt, davon
so viel zu schreiben? Über die Vielfalt des Essens und der Restaurants habe
ich schon berichtet. Die zweite Besonderheit liegt in der Art des Essens:
Man kann ein chinesisches Essen praktisch nicht alleine zu sich nehmen,
selbst für 2 oder drei Personen ist ein Essen ist die chinesische Küche
nicht gut gerüstet. Das liegt vor allem daran, dass nicht jeder einen Teller
mit gleichen Speisen vorgesetzt bekommt, sondern dass die einzelnen Gerichte
wie einzelne Gänge aber sehr kurz hintereinander auf den Tisch gestellt
werden.
Zu einem großen Essen gehört dazu ein runder Tisch mit einer Glasscheibe,
die am Tischrand gerade so viel Platz lässt, dass Teller, Suppenschüssel und
Stäbchen Platz haben. Die Glasscheibe ist auf einem Kugellagerring drehbar
gelagert. Stellt man die Speisen jetzt auf die Glasscheibe, kann man sie
belibig zu jedem Gast bewegen. Das gleiche passiert mit den Getränken und
sonstigen Zutaten. Jeder isst mit seinen Stäbchen von jedem Gericht.
Üblicherweise wird die Anzahl der Gerichte nach der Anzahl der Teilnehmer
gerechnet. Je Teilnehmer ein Gericht + 10% Zuschlag. Bei grossen Essen gibt
es zudem noch vorab einige köstliche Kleinigkeiten als Vorspeise, wie
heiße Cashew Nüsse oder scharfen eingelegten Chinakohl, oder Knoblauch (roh
und ganz) oder, oder, oder. Und zum Schluß meist Früchte. Was bei einem
guten Essen nicht serviert wird, ist Reis. Wenn doch, sollte man ihn
tunlichst stehen lassen. Rührt man ihn an, heißt das, es hat nicht
geschmeckt oder man ist nicht satt geworden. Speziell das Problem nicht satt
zu werden hat man aber im Allgemeinen nicht. Zum einen wird immer weit mehr
bestellt, wie man essen kann, zum anderen kann man ja jederzeit ein kleines
Gericht nachbestellen.
Auf diese Art und Weise ist ein chinesisches Essen immer eine gesellige
Angelegenheit. Selten sieht man weniger als vier Leute an einem Tisch
sitzen. Essen werden genutzt, um die Soziale Kommunikation in jeder Richtung
zu pflegen: innerhalb der Familie, zu Freunden und Verwandten, zu
Geschäftsfreunden, zu wichtigen Personen, einfach für alles. Die Ablehnung
der häufigen Geschäftsessen kommt einem Ausschluss aus der Gemeinschaft
gleich und führt innerhalb kürzester Zeit zur Isolation. Umgekehrt kann man
aber über solche Essen selbst schwierigste Probleme oft problemlos aus der
Welt schaffen. Gerade nach sehr heftigen Diskussionen bei
Vertragsverhandlungen können die ganzen aufgestauten Aggressionen bei einem
lockeren Abendessen wieder abgebaut werden und einige unlösbare Probleme
sind plötzlich gar nicht mehr so eine große Hürde.
Allerdings sollte man bei solchen Anlässen auch recht standfest sein. Denn
neben reichlich Essen gibt es meist auch reichlich Alkohol. Meist Bier,
neuerdings auch einen gar nicht so schlechten chinesischen Wein, aber fast
immer den unsäglichen Mao Tai (über 50%) oder Beijou (was schlicht Schnaps
heißt) mit 40 - 60% Alkoholgehalt. Bei Essen zwischen Chinesen ist es immer ein Wettbewerb,
wer am meisten davon verträgt, deshalb wird er in kleinen Wassergläsern
ausgeschenkt. Das Ergebnis ist entsprechend verheerend. Erst vor kurzem habe
ich einem solchen Gelage zugeschaut. 8 Männer an einem Tisch, die sich
gegenseitig so lange zuprosteten, bis der erste einschlief. Das ganze fand
mittags bei 36°C im Schatten statt. Anschließen stiegen alle in einen
Minibus und fuhren davon mit Blaulicht und Sirene - es war ein
Streifenwagen.
Nehmen Europäer am Essen teil, geht es meist etwas gesitteter zu, weil die
Gläser kleiner sind. Das macht es für die Ausländer aber nicht
ungefährlicher, denn zur Form der Geselligkeit gehört das Zuprosten. Ein
Chinese erhebt sich, sagt sein Trinksprüchlein auf und prostet einem Gast
zu. Die beiden müssen dann ihr Glas bis zum Grund leeren, egal ob Bier, Wein
oder Schnaps. Zwar vertragen die Europäer meist deutlich mehr, aber bei dem
üblichen Kräfteverhältnis von 2 bis 10 zu eins für die Chinesen ist der Gast
auch erheblich mehr gefordert. Kneifen gilt als unhöflich, deshalb muss man
nicht selten gute Miene zum bösen Spiel machen. Oder den Spieß umdrehen.
Denn der Chef der Chinesen möchte natürlich immer die Kontrolle über sich
und das Geschehen wahren. Wenn sich jetzt die Europäer zusammenrotten und
nacheinander dem Chef zuprosten, ist der Spuk meist sehr schnell vorbei,
vorausgesetzt man hat nicht einen der seltenen standfesten Exemplare
erwischt, die durch nichts und niemanden unter den Tisch zu kriegen sind.
So gesellig es zugeht, so leger ist es auch. Krawatten und Anzugjacken sind
am Tisch auch bei vornehmen Essen verpönt. Üblicherweise kommt man in Jeans
und TShirt. Die chinesischen Männer krempeln dazu an heißen Tagen das Shirt
oder das Hemd noch bis zur Brust hoch, so dass sie mit nacktem Bauch vor dem
Tisch sitzen. Man sollte auch tunlichst nicht die beste Hose anziehen, denn
es wird gekleckert und mit Soße und Getränken gespritzt, dass auch eine
Serviette nicht mehr helfen kann. Nach einem guten Essen muß der Tisch
aussehen wie ein Schlachtfeld, sonst war es nicht gut. Ungewohnt für uns
Europäer ist auch, dass zum Essen hemmungslos geschmatzt und geschlürft
wird. Auch Rülpsen und Furzen stört niemanden. Aber wehe dem Lao Wei, der es
wagt, sich laut zu schneuzen, weil das Essen scharf war oder er gerade eine
Erkältung hat. Dann werden alle Chinesen distinguiert auf ihn schauen. So
etwas gehört sich nicht.
Wenn es ganz besonders lustig ist in einer Runde, vor allem dann, wenn das
Essen in einem der vielen Separees in den Restaurants stattfindet, fängt
auch mit Sicherheit ein Mitstreiter an zu singen. Fast alle Separees sind
mit Karaokee-Anlagen einschließlich Großbild-Fernseher ausgestattet, so dass
alle hemmungslos mitsingen können. Dabei können sich Europäer aber im
allgemeinen nur blamieren, denn die Chinesen sind excellente Sänger und
Sängerinnen und haben meist auch noch ein recht großes Repertoir. Dazu
gehören alte chinesische Lieder genauso wie moderne Schlager. Ohne Gesang
dauert ein Essen üblicherweise zwischen zwei und drei Stunden, mit Gesang
kann es sich bis tief in die Nacht ziehen und die Ausfallrate am nächsten
Tag im Dienst ist recht hoch.
Nach dem Essen gestern war es drei Uhr morgens, aber heut ist zum Glück
Sonntag.
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Brief 8 Besuch vom Sohn
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Am Samstag kam nach 10 Stunden Flug und 4 Stunden Wartezeit ein fröhlicher Sohn gut ausgeschlafen am
Flughafen in Peking an. Der vorsorglich informierte und zufällig parallel in einem anderen
Flugzeug sitzende Kollege musste nicht eingreifen. Im Gegenteil:
Während der Sohn die Formalitäten schnell überwunden hatte, blieb der Kollege
im Gewühl von 6 ankommenden Jumbo-Jets hängen. Außerdem war auch noch
sein Weiterflug gestrichen. Gut, dass wir in Peking bleiben wollten.
Auch wenn es am Samstag noch etwas dunstig in Peking war, hatten wir allgemein bestes Wetter und
Temperaturen um 20 Grad.Also nichts wie ins Hotel, Koffer verstauen und ab ins Gewühl. Um die
Müdigkeit vom Flug im Keim zu ersticken
war gleich echtes Chinafeeling angesagt : Einkaufen auf dem
Seidenmarkt. Dort ist es für die Händler bereits unter ihrer Ehre, NICHT
über den Preis zu verhandeln, sodass bei einem T-Shirt locker 130
Renminbi ( 13 Euro ) zwischen "Orginal"Preis und gezahltem Preis liegen
können. Bei Papa's Hemden war die Einstandsforderung 780 Rmb,
Verkaufspreis 60 Rmb. Der Markt ist jedoch nicht für Menschen mit
Platzangst zu empfehlen, in den schmalen Gassen zwischen den Ständen ist
stets dichtes Gedränge und von allen Seiten ziehen und rufen Händler, um
auf ihre Wahre aufmerksam zu machen. Zwar ist es sehr praktisch, fast
immer ein bis zwei Köpfe größer zu sein als die Menschenmasse, jedoch
ist man auch immer als "Lao Wei" zu erkennen und damit Hauptziel von
Händlern und Bettlern. Bei diesen ist von Berührungsangst keine Spur :
Wenn es sein muss wird man eben zum "richtigen" Stand gezogen. Trotzdem
ist der Seidenmarkt ein Erlebnis. Erster Eindruck unserem Sohn: Es ist eng und man muss heftig
handeln.
Dort trafen wir dann auch auf die Kollegen, mit denen ich
abends ein Abendessen verabredet hatte. Das fand dann in einem typisch
altchinesisch eingerichteten Restaurant statt. Fazit: Essen in Peking
ist gut, aber teuer.
Nach dem Essen geht es zu Schindlers Tankstelle, der Stammkneipe der
Botschaftsangehörigen, aber auch der Kollegen aus Peking, wie zwei
große deutsche Autos vor der Tür belegten. Tatsächlich saßen drinnen etwa 20 Kollegen
beim Feiern. Freund R., mit
dem wir erst am nächsten Tag verabredet waren, war auch dabei. Nach einigen
Runden ging es dann ab ins Bett im Hotel in ein sehr gutes Zimmer.
Am nächsten Tag haben wir dann Pflaster getreten: Vom Hotel zum Platz
des Himmlischen Friedens (Tian An Men), durch die Verbotene Stadt zum
Bei Hei Park. Mit dem Taxi zum Sommerpalast, Rundgang dort. Essen in
einer winzigen chinesischen Kaschemme (Hardcore-Essen sagt E. dazu).
Das Wetter war inzwischen von Regen wieder auf Sonnenschein und 20 Grad
umgeschwenkt.
Am Abend waren wir dann zum Essen mit R., es gab Pekingente
in einem sehr alten, echten Pekingenten-Restaurant. Sehr gut und sehr
teuer. R. lieh uns freundlicherweise für 2 Tage ein Auto und gab uns
eine lange Erklärung, wo wir lang fahren müssten (Karten sind in China
mehr eine vage Beschreibung der Strecke). Der anschließende Besuch im
Hard Rock Cafe war eher enttäuschend. Die Band spielte am Sonntag nicht
und es herrschte gähnende Leere. Trotzdem war es zwölf, bis wir im Bett
waren.
Am nächsten Tag sind wir dann der Beschreibung folgend in die Berge um
Peking gefahren. Ohne uns zu verfahren, haben wir die 50 km bis Mu Tian
Yu gefunden. Bei schönstem Herbstwetter ging es mit der Seilbahn auf die
Mauer, etwa einen Kilometer darauf entlang und dann mit einer
Sommerrodelbahn wieder ins Tal. Ein echtes Erlebnis.
Anschließend wollten wir zu den Ming Gräbern fahren. Aber die Berge mit
ihrem Herbstlaub waren viel schöner, also haben wir einen Ausflug tief
in die Pekinger Berge unternommen, insgesamt mehr als 250 km. Malte
machte sich als Kartenleser ausgezeichnet, er merkt sich mit einem Blick
chinesische Zeichen und findet in der Karte die Orte wieder. Wir haben
uns nur einmal verfahren, als ich unbedingt eine Bergstraße hochfahren
wollte, die dann in einem schmalen Weg an einer Baustelle endete. Wir
sind dann ohne Probleme nach Peking zurückgekommen, gerade rechtzeitig
vor der Dunkelheit. Das war auch für mich ein Erlebnis. Am Abend waren
wir dann in einem alten Restaurant zum Essen. Leider hatten die nicht
angeschrieben, dass es sich um Szechuan Küche handelt. Am Nachbartisch wurde
ein Fisch gebracht. Man sah Kopf und Schwanz, der Rest war Chilli.Unser Essen
sah ähnlich aus, wir hätten beide einen Feuerlöscher gebrauchen können. Geschmack ?
Keine Ahnung.
Am nächsten Tag war dann noch der Himmelstempel angesagt und ein Besuch
im Perlenmarkt mit anschließendem Bummel durch ein Hu Tong, ein
typisches Pekinger Altstadtviertel. Nachdem wir das Auto wieder
abgegeben hatten ging es um 17:30 Uhr mit dem Flugzeug nach C.
und zu einem weiteren "Hardcore Essen".
Am Mittwoch begann für den Sohn das Arbeitsleben. 6:30 Uhr aufstehen, den
ganzen Tag Informationsrunden und Terminchaos und viele viele Eindrücke
vom Leid und Plagen eines deutschen Arbeiters in China. Abends hatte ich
zu einem Essen zu seinem Geburtstag eingeladen. Es kamen 16 Personen und
es war sehr lustig. Ich hoffe, er kann all die Geschenke mitkriegen.
Das Essen Endetet in einer lustigen Runde mit dem chinesischen Kollegen, Herrn W., der
nach dem Essen immer noch "ein Bier" trinken will. Es endete um 23:30
Uhr nach diversen Bieren zusätzlich zu denen beim Essen. Wieder eine
neue Erfahrung für unseren Sohn, wie man solche Kontakte pflegt bzw pflegen muss.
Heute und Morgen folgen dann Teil 2 und 3 des Arbeitslebens und ein Abendessen mit
Familie P. Ich schätze, unser Sohn hat viel zu erzählen wenn er zurück kommt..
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